Faszination am Bösen

Die Musik umkreist unsere Ohren mit starken Lauten amerikanischer Ureinwohner, der Bass hämmert im Beat der Atmung, der Herzschlag wird schneller, das faszinierende Grauen auf dem Bildschirm fesselt unseren Körper wie eine Mutter die ihr Kind zu fest in den Armen hält. Gleich wird auf dem Bildschirm Blut fließen, die Anspannung ist ein Gift, welches in unseren Venen fließt, nur um Sekunden später explosionsartig den Körper wieder zu verlassen und uns als hilfloses Kind zurücklässt.

 

Im Film Wolfsnächte werden die Wölfe als das Böse dargestellt und so gibt es einen klaren Schuldigen am Leid der Einwohner. Tiere sind die Metapher von Stärke, wenn sie andere fressen oder töten. Machtphantasien übertragen wir auf sie und definieren den Kreislauf des Lebens einfach um. So wie der Löwe nicht ohne das Gnu existieren kann, kann das Gute nicht ohne das Böse Leben. Der König der Löwen ist somit eine Erfindung von uns. Stärke ist jedoch gleichzeitig auch das Böse, je nachdem aus welchem Blickwinkel wir die Situation betrachten.

 

Was fasziniert uns an dem Bösen?

 

Sind nicht wir es, die in den Nachrichten die Moralkeule herausholen und jeden Täter sofort in die Ecke stellen und am liebsten gleich ins Gefängnis werfen möchte, um nach einem Tastendruck auf der Fernbedienung der Gewalt hemmungslos im Abendprogramm zu frönen.

 

Das ist ja nicht das gleiche mag der aufmerksame Leser zurückwerfen. Doch unser Gehirn kann nicht unterscheiden, zwischen dem was wir glauben echt zu sein und was Schauspieler auf der Bühne darstellen. Auch dem wird sofort widersprochen, denn das würde ja unsere Intelligenz und moralische Bewertung in Frage stellen. Doch wer kann mit Sicherheit sagen, dass die Nachricht echt und der Film unecht ist. Sind alle Darstellungen in der Tagesschau war? Was ist mit Filmen, die auf wahrer Begebenheit beruhen?

 

Ich möchte diese These weiter verfolgen und die Gedankenspirale noch ein wenig weiter ausdehnen und folgendes behaupten.

 

Das Böse ist so faszinierend, weil es eine Projektion unserer eigenen Konflikte widerspiegelt.

 

 Ist die Anschauung von Gewalt und das Bedürfnis, ja fast Verlangen, nach solchen Medien nicht der Versuch, Kindheitstrauma und Konflikte aus dieser Zeit zu bewältigen. Ist es nicht der Wunsch, unbewältigte Themen aufzulösen. Ein statischer Zustand, der im Außen versucht wird zu bearbeiten und abzuschließen, jedoch nicht gelöst werden kann. Der wie ein Hamsterrad immer und immer wieder erlebt wird. Eine Handlung die wir nicht ausführen können, übernimmt ein Schauspieler für uns und wir fühlen Gefühle, die sonst im Verborgenen unseres Selbst hausen und nur in Träumen Ihren Ruf aussenden. Doch wer kann sich an Träume erinnern. Die Stimme verblasst sobald die Routine des Alltags den Arm um uns legt.

 

Eine ganze Industrie lebt von unseren eigenen nicht bearbeitenden Konflikten. Sei es Romane über Gewalt, Serien und Filme sowie Computerspiele oder Hörbücher. Eine Industrie, die kein Interesse hat, dass der Konsument sich weiterentwickelt. So wie der Schnapsladen um die Ecke nicht versucht dich vom Alkohol abzubringen, ist schließlich sein eigenes Überleben davon abhängig. Hat unsere Gesellschaft nur die Symptombehandlung verstanden, ist die Ursachenlösung eine Fremdsprache, die es nicht erlernen möchte. Permanente Ablenkung soll uns möglichst davon abhalten, uns selbst zu reflektieren. Der Süchtige soll nicht über die Sucht nachdenken, sondern immer nur weiter konsumieren. Es hängen doch schließlich Arbeitsplätze daran, analog der These von Politiker, die sobald sie sich um Umweltschutz Gedanken machen müssen, diesen Joker ziehen und die Wirtschaftskraft höher hängen als den Schutz dessen, wovon wir leben und ohne diesen es kein Leben geben kann. 

 

Denn mein eigenes Wohl hängt davon ab, ob mein Gegenüber, mein Freund, mein Partner, sogar meine eigenen Kinder, weiter der Sucht frönen. Unser Wohlstand wird gemessen im Bruttosozialprodukt. Je mehr konsumiert wird, desto besser geht es uns. Und wir dürfen nicht vergessen, die Freude ist vielschichtig und unterscheidet sich bei jedem von uns, hingegen die Ängste sich bei jedem ähneln.

 

Das Böse auf der Leinwand oder in anderen Medien fasziniert uns, weil unser Unterbewusstes sich selbst erkennt und Handlungen ausgeführt werden, die es selbst nicht durchführen kann. Es ist das Brechen der Regeln, welches uns von Kindesbeinen an untersagt wird. Regeln sind Kontrolle, Kontrolle die die eigenen Eltern selbst nicht hatten und nun über uns ausleben. Kontrolle der eigenen Kinder, bedeutet Kontrolle über das eigene Selbst. Das hat eine Generation hervorgebracht, die den Agressor in sich trägt und das eigene Ich ins Unbewusste packt. Konnten wir uns als Kind nicht erheben, möchten wir es eigentlich aggressiver und kraftvoller selbst ausführen, doch hat der Aggressor weiterhin die Oberhand und wir nutzen die Hilfe der Medien. Sei es in Filmen, in Pornos, in Videospielen oder sonstigen Medien die Regeln mit Gewalt auflösen. Unsere Kindheitserfahrungen suchen sich die Bewältigung im Außen.

 

Wir haben es nicht gelernt, mit Schmerz, Kummer, Leid, Haß, Angst und Wut umzugehen. Ein Bösewicht muss in einem Film immer sterben, er darf nicht gefangen werden, sondern muss sterben. Würde er überleben, müssten wir feststellen, dass er nachvollziehbare Motive hat und der Konsum gestoppt wird, weil wir uns indirekt mit uns selbst beschäftigen.

 

Das Böse fasziniert und frohlockt uns, denn unsere Konflikte sind ein ständiger Begleiter.

 

In der Stille der Dunkelheit kannst du die Trauer deines Herzens hören.

Und manchmal kannst du den Wahnsinn dieses Lebens fühlen.
© Ivonne Weingart

 

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